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Februar 2005

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Verpflegung im Verband

Februar. Ministerien und Behörden öffneten ihre Kantinen für den so genannten Publikumsverkehr. Im Ostbahnhof ist es die Bundesbahn, in deren Kantine jeder essen gehen darf - aber zu höheren Preisen als die Betriebsangehörigen. Zwei Fußballfelder weit vom Bahnhof entfernt, am anderen Ufer der Spree, hat die Dienstleitungsgewerkschaft ver.di ihren Hauptsitz. Mit Kantine. Wer das Haus betritt, ver.di-Zentralewird in einer Halle empfangen, in der eine Dorfkirche Platz fände, auch so mancher Förderturm eines Bergwerkes, ohne dass die Krone geknickt werden müsste. Die Kantinenräume sind ebenfalls licht gebaut. Aus ihnen ist ein Blick auf die Spree möglich und auf Reste der sozialistischen Vergangenheit: marode Fabrikbauten. Die Gewerkschaft baute im ehemaligen Grenzgebiet. Wo einst auf Bürger der DDR geschossen wurde, die das nicht mehr sein wollten, ist nicht mehr festzustellen. Das so genannte Schussfeld wurde nach der Grenzöffnung entfernt. Mindestens drei Gerichte sind in der Kantine im Angebot. Die Selbstbedienung könnte gelegentlich auch Schlangenbildung genannt werden. Ein unfreiwilliger Hauch von DDR. Das Essensangebot ist solide, die Preise liegen leicht unter denen bei der Bahn im nahen Ostbahnhof. Ein Vergleichstest wurde bisher noch nicht unternommen – aber in einem Punkt scheint ver.di nicht schlagbar: Das Kantinenpersonal ist von ausgesuchter Freundlichkeit. Grundsätzlich wird der Kunde vom Tresen entlassen mit dem Wunsch, es möge ihm schmecken. Die nächste Schlange bildet sich an der Kasse. Auch hier heißt es beim Weggang des Hungrigen  „Guten Appetit“. Und das klingt nicht routiniert. Zwischen 12 und 13 Uhr ist der große lichte Essensraum meist dicht gefüllt. Hierin lässt sich trefflich beobachten: Einige Männer scheinen wichtig zu sein, so wichtig, dass sie auch beim Essen noch wichtige Entscheidungen fällen und deshalb dabei wichtig telefonieren. Die Angestellten sitzen bei der Arbeit in Abteilungen zusammen, am Mittagstisch offensichtlich auch. Eine jeweilige Rudelbildung ist unverkennbar. Die Besuchernote für die Kantine ist: gut.

 

Touristenfreie Zone

Februar. Das äußere Bild nahe dem Landwehrkanal ist von türkischstämmigen Bewohnern geprägt. Am Beginn der Graefestraße steht ein Kaufhaus, wie es in jeder türkischen Großstadt vom Angebot auch sein könnte. Schweinefleisch suchte der Kunde vergeblich. Schräg ab vom Landwehrkanal führt die Graefestraße an der Grenze von Kreuzberg nach Neukölln in Richtung Hermannplatz. Sie gilt als verkehrsberuhigte Zone. Dieses Stück Kiez ist teilweise das alte Berlin mit seinen sechsstöckigen Mietshäusern und Hinterhöfen. Die Fassaden der vor 60 Jahren nicht zerstörten Gebäude tragen Verzierungen. Dazwischen wurden Fünfzigerjahrehäuser gesetzt. Eine backsteinrote Schule scheint aus der Kaiserzeit zu stammen und wurde im Stile einer Kaserne gebaut. Rechts und links der nach einem Augenarzt benannten Straße folgen Ateliers, die Läden von Schustern und anderen Handwerkern. Schulkinder laufen um die Mittagszeit in Richtung Elternwohnungen. Nach einer Eisdiele kommen scharf konkurrierende Cafés. In dem Café Matilda, Graefestraße 12, kostet der Milchkaffee zwei Euro, wie bei der Konkurrenz auch. Hier hat sich der Besitzer auf das Frühstück spezialisiert, was in der real existierenden Szene heißt, Frühstück wird auch nachmittags zur Kaffeezeit als selbstverständlich serviert. Die Zeitungen vom Vortage liegen bei Matilda im Zeitungsfach, die des Tages neben dem Eingang auf der Cafétheke. Schräg gegenüber treffen sich in einem Restaurant Vegetarier und Fischesser. Nur wenige Meter davon entfernt wird eine ungewöhnliche Geschäftsidee umgesetzt. Der Gast zahlt beim Betreten des italienischen Restaurants drei Euro Eintritt. Ihm wird ein mehrgängiges Menü serviert, dazu erlesene Weine. Hat sich der Besucher gelabt, entscheidet er am Ende, was ihm das Gericht und der Wein wert waren und zahlt die von ihm festgelegte Summe. Ich ließ mich auf dieses lukullische Experiment nicht ein. Das Lokal „Zitrone“ hat einen Hauch vom alten Paris. Der Gastraum ist sehr groß, spartanisch möbliert, die Besucher hocken vor der Theke auf Hockern oder sitzen an den Tischen, von überall her haben sie einen Einblick in die offene Küche. Direkt hinter dem Eingang liegen auf dem ersten Tisch die Zeitungen. Viele Berliner Restaurants sind auch Leselokale. In der „Zitrone“ sind zu lesen „Le Monde“, „The Guardian“, „Die Zeit“, die Berliner Tageszeitungen und die „taz“. Die ist selten „frei“, sicherlich finden sich die Leser des Blattes konzentriert in den Kiezen Kreuzberg, Neukölln und Prenzlauer Berg. Diese Vermutung erhärtet sich durch die Beobachtung, welche Zeitungen in den U- und S-Bahnen gelesen werden. Das Menü kostet in der „Zitrone“ acht Euro, nur der Hauptgang fünf. Der Blick aus dem Lokal auf die Straßenkreuzung belegt, die Graefestraße ist touristenfrei. Der Kellner mit der knöchellangen umgebundenen Schürze empfiehlt dem Gast eine Spezialität aus dem Getränkeangebot des Hauses auch dann, wenn der zuvor ein Mineralwasser begehrte: einen Fruchtsaft aus frischem Obst und Gemüse, das 0,2-Liter-Glas zu drei Euro. Wer sich dafür entscheidet, könnte sich in der „Zitrone“ Zitronen einhandeln. Ein Manko gibt es in der Graefestraße, eine Bäckerei heißt Wulff, so wie der geschniegelte Ex-Ministrant aus Osnabrück. Dieser politische Streber aus Niedersachsen passt absolut nicht in die Gegend.       

 

Der Hausmann Leander Haußmann

Februar. Leander Haußmann drehte den Erfolgsfilm „Herr Lehmann“. Leander Haußmann ist nicht der größte Regisseur in Deutschland, wohl aber einer der längsten. Mit Frau und Kind schlurft er nach dem Einkauf bei Kaiser’s über die Bölschestraße in Berlin-Friedrichshagen. Die rotweiße Plastiktüte ist satt gefüllt, sie schlägt beim Gehen unterhalb des rechten Knies gegen das Bein. Einige Waren sind in den Kinderwagen gepackt. Das Kleinkind schläft. Der Regisseur ist recht nachlässig gekleidet. Er trägt eine khakifarbene ärmellose Jacke, wie sie insbesondere von alten Männern im Osten bevorzugt wird. Vorbild muss eine Großwildjägerkampfjacke sein. Wahrscheinlich wird sie im Osten deshalb bevorzugt getragen, weil das DDRchen zu klein war für die Großwildjagd. Trotz der winterlichen Kälte verzichtete Leander Haußmann auf einen Überzieher. Wäre die Plastiktüte nicht so beachtlich gefüllt, könnte er als Opfer von Hartz IV durchgehen. Mit der linken Hand hält er ein Handy an sein Ohr. Auf einer sehr langen Strecke. Nicht nur die Mutter des Kindes lässt sich das bieten, immer mehr junge Frauen akzeptieren ihre Missachtung, während der Mann sich mit dem Handy präsentiert und sie währenddessen unbeachtet lässt. Vielleicht probt aber der Hausmann Haußmann eine Szene.

 

Wo einst in Berlin der Bär tanzte

Februar. „Aber die Gegend um den Savignyplatz wurde immer schöner“, schreibt Sarah Haffner, Malerin und Tochter des Publizisten Sebastian Haffner über das Jahr 1979 in Westberlin. „Der Platz selbst war schön. Und ringsherum gab es alles, was das Herz der oberen Mittelschicht begehrt: Bücher, CD’s, Bilder, Keramik, Klamotten und vor allem Cafés und Kneipen. Die Hoch-Zeit vom ‚Zwiebelfisch‘ war zuende. Dort hatten sich jahrelang Literaten, Künstlerinnen, Architekten und Pädagogen getroffen.“ Ein Vierteljahrhundert nach der Beschreibung hat die Gegend um den Savignyplatz die Sonderstellung abgeben müssen. Doch eine Gegend für das gehobene Amüsement ist sie geblieben. Wer den S-Bahnhof verlässt läuft in das Schickimickilokal „12 Apostel“. Im Angebot ist zum Mittag ein Businessgericht, die Pizzen sind für die Zeit auf einen Einheitspreis gesenkt. Gut verdienende Anzugträger und schlanke Endzwanzigerinnen mit eng sitzenden Kostümen und rahmenlosen Brillen sind das Publikum. Besonders empfehlenswert sind die Plätze direkt am Eingang des Lokals links am Fenster. Der Stuhl ist der Beobachtungsturm, um so manchen Fatzken studieren zu können. Weil die sich unbeobachtet fühlen, ist mit Amüsement zu sehen, wie die Blicke nach rechts und links fliegen, ob sie beim demonstrativen Telefonieren mit dem Handy in der Öffentlichkeit auch gesehen und bewundert werden. Männer und Frauen betrachten sich, selten kritisch, in den Spiegelungen der Schaufensterscheiben. In den Rundbögen der S-Bahn am Savignyplatz befinden sich Cafés und einige Geschäfte mit Angeboten, die man nicht braucht.

Vom S-Bahnhof ist bald die Kantstraße erreicht. Sie gilt nicht als besonders attraktiv. An ihr liegt das Kant-Café, das sich die Atmosphäre eines Studentenlokals erhalten hat. Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, Franz Josef Möllenberg, lobte schon „diese Kneipe“. Der Inhaber muss ein freundlicher Mensch sein, denn die Servierfrauen sind durchweg von unberlinerischer Liebenswürdigkeit und Hilfsbereitschaft. Schülerinnen und Schüler treffen sich in dem Café, um Hausarbeiten zu besprechen. Wird von einem Pärchen ein Gericht bestellt, fragt die Serviererin wie selbstverständlich, ob es „zwei Bestecke“ sein sollen. Das Kant-Café liegt an einer viel befahrenen Kreuzung. Ein Haus gegenüber ist ein grauer Wohnblock. Neben der Haustür vor einer Bushaltestelle hängt eine weißblaue Erinnerungstafel. In dem Gebäude lebte die Schriftstellerin Else Ury (1877 – 1943), Autorin der Nesthäkchen-Romane. Die Grausamkeit ist sprachlich sachlich festgehalten: Von hier aus wurde sie „nach Auschwitz deportiert und dort umgebracht.“ In dem Eckhaus befindet sich ein gehobenes Chinalokal. Es hat zwei große Räume. Im ersten Gastraum sitzt gelegentlich der frühere Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Schütz und telefoniert (zu) laut. Es bleibt unklar, ob es altersbedingt ist oder Angabe. So lang wie ein Fußballfeld ist von hier der Weg bis zum Savignyplatz.

Kantstraße

„Auf dem Platz selbst stand die schöne Skulptur von Renée Sintenis von dem störrischen Jüngling, der einen störrischen Ziegenbock hinter sich herzieht, noch auf dem Rasen. In den achtziger Jahren sollte der Platz seine ursprüngliche Gestalt wiederbekommen mit gebogenen berankten Baldachinen über den Sitzbänken, ein kleiner Schutz für die Obdachlosen, die damals wie heute dort schlafen, und großen Blumenbeeten auf dem Rasen. Den Jüngling und den Ziegenbock sollte es zweimal geben. Sie wurden später auf Sockeln sich selbst gegenüber aufgestellt und bilden seither eine Art Eingang zu einem der schönsten Plätze Berlins.“ So erinnert sich Sarah Haffner in ihrem Buch „Eine andere Farbe“, erschienen 2001 bei „transit“. Fünfundzwanzig Jahre später ist der sehr anmutig angelegte kleine Park noch so wie von ihr beschrieben. Und die Obdachlosen sonnen sich an warmen Tagen. Ob sie dort auch schlafen, habe ich nie geprüft. Das Lokal „Zwiebelfisch“ ist auch am frühen Vormittag schon gut besucht. Es riecht nach Bier und Tabaksqualm. Der „Zwiebelfisch“ ist ein Kiezlokal, aber kein Szenetreff mehr. Vor ihm hängt auf einer kleinen Schaukel unter dem Namensschild Savignyplatz noch im Februar ein Weihnachtsmann aus Plastik. Sein roter Weihnachtsmannanzug und der weiße Bart leuchten intensiv auf, erreicht ihn die Mittagssonne.

Savignyplatz

„Es gab heiße Diskussionen, besoffenes Geschwafel und öfter mitten in der Nacht eine Prügelei“ im „Zwiebelfisch“. Szeneleute bewegen sich wie Heringsschwärme fort. Sarah Haffner über die 80er Jahre: „Die ‚Szene‘ war jetzt bei ‚Rosalinde‘, wo es schnuckelige kleine Gerichte gab und gesitteter zuging als im ‚Zwiebelfisch‘. Die Snobs trafen sich bei ‚Florian‘ zu exquisitem Essen. Die ‚Dicke Wirtin‘ war rappelvoll mit jungem Volk.“ Sarah Haffner erwähnte in ihren Erinnerungen auch die „Paris-Bar“ an der Kant-Straße. Die bekam in der Gegenwart einen Namen durch einige Besuche des Bundeskanzlers. Vom Savignyplatz führt die Knesebeckstraße zum Ernst-Reuter-Platz. An ihr liegt das Lokal „Rosalinde“. Der Inhaber, der selten seine Gäste grüßt, kämpft mit niedrigen Preisen um Kunden. Schwäbische und bayerische Gerichte fallen an der Spree auf. So stehen im Februar auf der Karte Saitlinge mit Linsen und Spätzle sowie Maultaschen mit warmem schwäbischen Kartoffelsalat. Die dort beschäftigte Serviererin Stefanie Japl ist überzeugt, um dort zu essen, lohne sich sogar ein längerer Fußmarsch durch die Stadt, „der zudem ja auch noch gesund ist.“

 

Die vom Savignyplatz bis zum Ernst-Reuter-Platz führende Knesebeckstraße ist dazwischen vielleicht einen halben Kilometer kurz. Auf der Strecke befinden sich mehrere Antiquariate, im Februar wurde eine weitere Altbuchhandlung eröffnet. Die Läden haben unterschiedliche Angebote. Einer hat Literatur gewissermaßen in Nebenfächern, aber ein riesiges Fach gefüllt mit gelben Reclamheften, ansonsten haben Bautechniker, Philosophen und Historiker hier mehr Spaß als Freunde der Belletristik. Ihm folgt ein Geschäft mit in erster Linie ausländischer Literatur. Der nächste ist spezialisiert auf Hardcover und Klassiker, ist aber nervig unsortiert. Hier muss der Kunde in den Bücherbergen wühlen. Der neue Antiquar bietet eine hochwertige Auswahl. Am Ende der Knesebeckstraße gab es einst die umfangsreichste Buchhandlung Berlins. Sie machte pleite. Eine neue, kleinere folgte. Wer dieses von Sarah Haffner besuchte Viertel um den Savignyplatz besucht, fährt vom Ernst-Reuter-Platz entweder mit dem Bus oder der U 2 Richtung Pankow zum Bahnhof Zoo. Die U 2 war nach dem schmählichen Ende der DDR die erste Bahnverbindung zwischen Ost- und Westberlin.

 

An der Rückseite des Ostbahnhofs

Februar. Der Ostbahnhof ist nach dem Ende der DDR modernisiert worden. Als der Stadtteil als Hauptstadt der DDR galt, war er der Hauptbahnhof. Hier kamen wiederholt Staatsgäste mit der Bahn an. Die Rückseite war sozialistisch hässlich: Drei verfallene Altbauten mit grauen Fassaden direkt gegenüber dem Hinterausgang fielen auf, hinter einem unbebauten Platz lag das Centrum-Kaufhaus der HO mit den wie verstaubt wirkenden Waren darin. Umgeben war das kantige Gebäude von einem riesigen Bereich Plattenbauten bis hin zur Frankfurter Allee, der ehemaligen Stalin-Allee. Die Altbauten sind saniert. Aus dem Centrum wurde Kaufhof Galeria.Kaufhof am Ostbahnhof Die Arbeiterschließfachhäuser der DDR, einst grau und monoton, wurden mit farbigen Außenwänden und Sanierung im Innern ansehnlicher und wohnlicher. Ein Hauch von Osten ist geblieben. Berlin ist die Imbissstadt in Europa. Am Ostbahnhof erwartet den Reisenden an der Rückseite eine Front von Imbissbuden. „Russische Küche“, Asiatische Küche“, „Deutsche Küche“, eine Grill- und Würstchenbude steht neben der anderen. Dahinter befinden sich dann Verkaufsstände mit Plunder: Preiswerte Kleidungsstücke, Hongkongware an fast allen Ständen, imitierte Lederjacken für die typische Ossi-Uniform in schwarz. Den freien Platz vor dem Kaufhof gibt es noch. Hier versammeln sich junge Bettler mit riesigen Kötern. Die Fassade des Konsumtempels zeigt, was die SED unter Weltniveau verstand: Bunte Platten umkleiden die Fassade und geben dem Kaufhaus einen Anflug von Dorfkirmes. Im Innern ist es renoviert, aber dem genauen Betrachter entgeht nicht die Herkunft des Hauses aus der DDR. Vormittags sind wenige Kunden hier. Aufzüge und Rollstreppen führen in die „Dinea-Gastronomie“ des Hauses. Auch hier wurde umgerüstet. Das Mobiliar unterscheidet sich kaum von dem der Gastronomiekette in Essen beispielsweise, aber auch hier ist die Entstehungszeit zu erkennen. Auffallend freundlich und hilfsbereit, auch gesprächsfreudig ist das Personal. Endlich doch Weltniveau. Auch das Restaurant ist vormittags auffällig leer. Wenige alte Menschen erholen sich vom Gang durch die Etagen, einige Angestellte des Hauses machen Pause, an einem Tisch sitzen ehemalige Funktionäre des Regimes. Sie sind in beiden Gesellschaftsordnungen die Gewinner. In der DDR verdienten sie nicht schlecht, hatten als Mandatsträger der SED oder Blockflöten begrenzte Macht. Die haben sie nicht mehr. Aber durch Zusatzrenten geht es ihnen auch nun wieder besser als vielen anderen in den Plattenbauten hinter dem Ostbahnhof. So sitzen sie dort, betrauern ihren Machtverlust durch lautes Klagen, dass nun alles falsch laufe. Die Reden ihrer Verblendung zu hören, ist ein Ausflug in das Restaurant mit den freundlichen Frauen im Servicebereich wert. Aus dem Fenster sieht der Gast auf das Gesicht der einstigen Hauptstadt der DDR: Über die Dachkante des Kaufhauses reichen die Plattenbauten. Sie umschließen den Wohnbereich in einem unten offenen Rechteck. In der Mitte steht klein als Flachbau eine ehemalige Kinderkaserne des Wohnbereichs. Die Kita wird weiterhin benutzt. In den Pausen stürmen die Kinder heraus und turnen auf den wenig kreativ gebauten Spielplätzen. Ihre Freudenschreie sind hier oben nicht zu hören. Kinder haben kein Gefühl für Hässlichkeit.

 

Zitat

„Die Pommes frites sind freilich gut, zumindest für Berliner Verhältnisse.“
Die „taz“ am 1. Februar 2005 über das Café King, in dem sich die Wettmafia mit dem Schiedsrichter Hoyzer traf.

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